FAQ

Dieses FAQ will weniger einfache Antworten geben, sondern einen Einstieg in Debatte und Literatur ermöglichen.

Ist die Planwirtschaft nicht historisch gescheitert bspw. in der DDR?

Es stimmt, dass der historische ‘real existierende Sozialismus’ und seine zentralistische Planwirtschaft gescheitert sind. Zwar konnte selbst die autoritäre und ineffiziente Planwirtschaft der DDR und Sowjetunion einiges besser als die Marktwirtschaft, beispielsweise Industrialisierung von armen agrarischen Ländern oder eine weitgehende Abschaffung der Arbeitslosigkeit und der Ausbau sozialer Gleichheit und Sicherheit (Allen 2003). Und selbst kapitalistische Gesellschaften wie die britische und US-amerikanische Kriegsökonomie organisierten sich für die Kriegsmobilmachung im 2. Weltkrieg als weitgehend zentrale Planwirtschaften. Aber abseits von solchen Großprojekten mit klaren Prioritäten ist eine zentrale Planwirtschaft nicht besonders flexibel und innovativ. Für das Scheitern des sowjetischen Modells gibt es verschiedene Gründe (Ellman 2014).

Für pro-kapitalistische Theoretiker:innen scheiterte der ‘Realsozialismus’ vor allem an seinen Top-Down Produktionsbefehlen, der Missachtung ‘lokalen Wissens’ und daher schlechter Informationen. Außerdem verweisen sie auf fehlende Leistungsanreize durch ähnliche Löhne, Arbeitsplatzgarantie und die Subvention ineffizienter Betriebe. Es gab kaum Antrieb für Effizienz und Innovation. Ihnen war der Realsozialismus ökonomisch zu “sanft” und daher zu undynamisch. Teilweise stimmen Befürworter:innen demokratischer Planwirtschaft dieser Einschätzung zu, arbeiten jedoch heraus, welche bestimmten Elemente abzulehnen sind, statt Planwirtschaft im Allgemeinen abzulehnen. Moderne “Reformsozialisten” wie Pat Devine und David Laibman oder auch libertäre Sozialisten wie Robin Hahnel kritisieren die autoritäre, zentralistische, top-down Planung und schlagen Modelle mit stärker dezentrale Planung vor (Devine 2002, Laibman 2012, Hahnel 2013). Computersozialist:innen wie Paul Cockshott und Allin Cottrell erklären das Scheitern vor allem mit der unterentwickelten Informationstechnologie und fordern eine computerisierte demokratische Zentralplanung mit moderner Technologie (Cockshott/Cottrell 1993). Für Wertkritiker:innen wie Stefan Meretz und Simon Sutterlütti schaffte der Realsozialismus zwar den Markt und die betriebliche Konkurrenz ab, aber da er weiter Arbeit durch Lohn erzwang sei er nur ein Staatskapitalismus gewesen (Kurz 1991, Stahlmann 1990), ihr Modell des Commonismus basiert deshalb auf Freiwilligkeit (Sutterlütti/Meretz 2018).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das sowjetische, 'traditionelle Modell' zentraler Planung zu autoritär und top-down war. Das war nicht nur politisch fragwürdig, sondern hat auch eine langfristig funktionierende sozialistische Wirtschaft verhindert. Daher sollten wir solch ein Modell ablehnen, aber nicht indem wir Planwirtschaft im Allgemeinen ablehnen, sondern die Möglichkeiten einer Planwirtschaft erkunden, die erstens ganz wesentlich demokratisch ist und zweitens (je nach Modell) auch viel dezentraler funktioniert. Dabei bieten auch die moderne Computer- und Informationstechnologie, wie sie heute bspw. in der Planung innerhalb riesiger kapitalistischer Unternehmen bereits zur Anwendung kommt, ganz neue Möglichkeiten für neue, flexiblere Formen einer demokratischen Planwirtschaft (Phillips/Rozworski 2018).

Heute können wir außerdem, insbesondere vor dem Hintergrund der Klimakrise (aber auch vielen anderen Problemen), von einem Scheitern der Marktwirtschaft ausgehen - was heute selbst Liberale zugeben (Hermann 2022). Bis jetzt ist keine Marktwirtschaft der Welt auf dem richtigen Kurs, die Klimakrise wirklich an der Wurzel anzugehen. Eine Planwirtschaft könnte mit Fragen planetarer Grenzen viel demokratischer und weitblickender umgehen. Sie scheint immer mehr die einzige Möglichkeit, eine Klimakatastrophe wirklich ernsthaft zu verhindern (Saito 2023).

Kann Wirtschaft überhaupt vernünftig geplant werden? Ist Wirtschaft nicht zu komplex?

Dass eine Planwirtschaft nicht funktionieren kann, weil eine moderne Wirtschaft zu komplex ist, ist ein klassisches Argument der Neoliberalen wie Hayek und seiner Anhänger:innen. Sie verlangen Demut vor dem Markt, denn dessen “unsichtbare Hand” ist angeblich das einzige Mittel, um gesellschaftliche Komplexität zu zähmen. Selbst wenn der Markt manchmal irrationalen Effekten produziert, ist dies unvermeidlich, da kein einzelner Verstand und auch keine Zentralcomputer, in der Lage wären, diese Komplexität, all das ‘lokale, implizite Wissen’, das nur auf lokaler Ebene überhaupt zugänglich ist, zu erfassen - insofern sei die Marktordnung die bestmögliche wirtschaftliche Ordnung,

Gegen Planung zu sein bedeutet, dagegen zu sein Wirtschaft gesamtgesellschaftlich an soziale und ökologische Ziele auszurichten und stattdessen versuchen diese Ziele im Nachgang dem profitorientierten Markt aufzudrängen. Aber schon heute existieren riesige, komplexe Organisationen, die nach einem gemeinsamen Plan, geteilten Zielen und hochgradig ‘kollaborativ’ arbeiten, d.h. sich in ihren verschiedenen Aktivitäten engmaschig aufeinander und auf die geteilten Ziele abstimmen. Dies hat insbesondere der sozialistische Management-Theoretiker Paul S. Adler herausgestellt (Adler 2019). Er argumentiert, dass die gesamte Wirtschaft ähnlichen Prinzipien folgen könnte, die heute bereits in gigantischen kapitalistischen Unternehmen praktiziert werden. Adler zeigt, dass hochkomplexe Organisationen wie eine ‘toyotistische’ Autofabrik, ein profiliertes Software-Unternehmen und einen gigantischen Krankenhauskomplex in den USA eine hochgradig ausdifferenzierte Arbeitsteilung und Spezialisierung haben und deshalb viel lokales, implizites Wissen nutzen müssen. Auch geben diese Unternehmen, trotz des Bestehens stark formalisierter Prozesse und Hierarchien, nicht alles ‘top-down’ vor, sondern integrieren auch stark partizipative, ‘bottom-up’ Elemente. Adler nennt dies eine "ermächtigende" Bürokratie im Gegensatz zu einer autoritären Bürokratie. Diese erlaubt nicht nur lokalen Ebenen auf höheren Ebenen mitzubestimmen und diese zu aktivieren, sondern dabei auch über bloß engstirnige Profitkriterien hinauszugehen.

Natürlich werden diese partizipativen Elemente immer wieder durch den Profitimperativ und die Eigentumsverhältnisse kapitalistischer Unternehmen bedroht und untergraben. Dennoch können sie sich immer wieder geltend machen und hierdurch lässt sich praktisch sehen, dass eine partizipative Planung und Steuerung hochkomplexer Organisationen durchaus möglich ist. Zentral sind dabei die Regeln der Interaktion von Subsysteme, diese richten das Gesamtsystem auf bestimmte Zwecke hin aus. Eine große Rolle spielt dabei heute moderne Informationstechnologie, denn Information und Kommunikation sind sozusagen die Luft zum Atmen für das kohärente Agieren und die bewusste Koordination komplexer Systeme. Heute haben wir hier ganz neue Möglichkeiten, die eine komplexe, moderne und hochgradig ‘kollaborative’ Planwirtschaft greifbar macht. Diese aktuellen Entwicklungen im Kapitalismus (teilweise ‘Postfordismus’ genannt) greifen auch die modernen Planmodelle auf, indem sie Partizipation stärken und ‘lokales Wissen’ integrieren. So heben sie funktionierende Prozesse im ‚Kleinen‘ - wobei die genannten Unternehmen teils überhaupt nicht klein sind - auf die Ebene der Gesamtwirtschaft.

Ist Planwirtschaft nicht unfrei?

Der Kapitalismus hat es vielfach geschafft, als ‘freies System’ zu gelten, gerade gegenüber der Planwirtschaft: einerseits politisch (parlamentarische Demokratie vs. autoritäre Parteiendiktatur), andererseits ökonomisch (unternehmerische Autonomie und größere Auswahl bei Konsum und Arbeitsplatz vs. staatliche Kontrolle). Eine Planwirtschaft muss aber weder zentralistisch organisiert, noch politisch autoritär sein. Autoritäre Planung ist nicht nur moralisch falsch, es verhindert auch das Einbeziehen von lokalen Wissen und Kritik.

Zusätzlich sind kapitalistische Demokratien politisch keineswegs frei. Kapitalistische Staaten haben nur eine “relative Autonomie” gegenüber den Imperativen der Kapitalakkumulation und müssen ein gutes Umfeld für Profitmaximierung bieten um Arbeitsplätze, Steuern und Kreditwürdigkeit zu sichern (Adler 2019). Und in dieser eingeschränkten Demokratie kämpfen keine freien Interessen um Gehör, sondern diese sind noch kapitalistisch formiert: Die Allermeisten hätten lieber keine Altersarmut, hohe Löhne und keine Naturzerstörung, aber diese Forderungen gefährden den “Wirtschaftsstandort”. Eine Planwirtschaft könnte demgegenüber echte politische Freiheit bieten, da nicht mehr die Imperative der Profitmaximierung und Standortkonkurrenz herrschen, sondern reale Konflikte demokratisch entschieden werden könnten bspw. wollen wir Ressourcen vor allem für Güterproduktion, globalen Ausgleich, gute Wohnungen oder Transformation des Energiesektors verwenden? So könnte eine demokratische Planwirtschaft die Freiheit bieten, gemeinsam und kollektiv über Wirtschaft und Gesellschaft zu verfügen, ohne anonymen Markkräften oder autoritäreren Staaten unterworfen zu sein.

Aber auch die wirtschaftliche Freiheit des Kapitalismus ist fragwürdig. Liberale halten gerne die Freiheit des Marktes hoch, aber übersehen ebenso gerne die Diktatur der Marktkräfte. Unternehmen können zwar relativ frei einstellen und produzieren, müssen dabei aber ihre Profite maximieren. Und die "Freiheit" einiger Privilegierter, um gut bezahlte Arbeitsplätze zu konkurrieren, steht unbenommen neben der elendigen Realität, dass das Leben vieler Menschen, die in gigantischen Slums und im "informellen Sektor" verelenden, beinahe nichts wert ist.

Der Realsozialismus produzierte eine kleine Auswahl an Konsummöglichkeiten, der Kapitalismus macht diesen Konsum von den Zufällen wie dem Erbe abhängig. Der Realsozialismus beschränkte Arbeitsplatzwahl, der Kapitalismus schafft aber eine mindestens ebenso durchdringende Hierarchie und Ungerechtigkeit bei der Arbeitsteilung. Eine moderne, demokratische Planwirtschaft müsste die Nachteile des Kapitalismus als auch des autoritären Sozialismus beenden und die jeweiligen Vorteile auf höhere Stufe aufheben.

Wenn wirkliche, genuine Freiheiten gemeint sind, nämlich solche, seine Meinung frei äußern zu können, sich mit anderen zusammenschließen zu können, seine politischen Repräsentant:innen frei wählen zu können, präferierte Konsumgüter, den eigenen Bildungsweg, Arbeitsplatz und Wohnort frei wählen zu können, eigene wirtschaftliche Projekte auf eigene Initiative hin anstoßen und verfolgen zu können, uns insbesondere auch eine wichtige Grundlage all solcher Freiheiten, nämlich substanzielle soziale Sicherheit, also quasi die Freiheit vor der Angst zu Verhungern, vor Obdachlosigkeit und freier Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Mobilität etc. - all diese Freiheiten kann und muss es in einer modernen Planwirtschaft geben. Doch die ‘Freiheit’, ohne etwas dafür getan zu haben, Unmengen an Reichtum zu erben und dieses zu nutzen, um weiter und auf immer größerem Maßstab von anderer Leute Arbeit zu leben - die wird enden, ja. Auch die ‘Freiheit’ andere auszubeuten, zu unterdrücken oder die Natur zu zerstören. Aber eben auch die ‘Freiheit’ von sozialer Sicherheit, die mit der fortwährenden Drohung, arbeitslos zu werden und möglicherweise zu verhungern, einhergeht. All diese ‘Freiheiten’ würde es nicht mehr geben.

Wenn die Wirtschaft uns gehört, wir demokratisch die Wirtschaft konrollieren, stehen wir nicht mehr fremden, anonymen, uns beherrschenden Marktkräften unfrei gegenüber. Im emphatischen Sinne haben wir als Gesellschaft und als Individuum ‘unser Schicksal selbst in der Hand’ und können unseren gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur so organisieren, dass es größtmögliche individuelle und gesellschaftliche Freiheit ermöglicht, während gleichsam unsere Lebensgrundlagen als Bedingung von Freiheit überhaupt geachtet werden.

Warum brauchen wir eine Planwirtschaft?

Wir brauchen eine Planwirtschaft, da einerseits der Kapitalismus ökologisch, sozial und individuell zerstörerisch ist und da der Marktsozialismus - als bekannteste linke “Alternative” zum Kapitalismus - dessen Probleme nicht löst. Obwohl der Kapitalismus immensen materiellen Reichtum und technischen Fortschritt geschaffen hat, produziert er auch enorme Ungerechtigkeit, Kriege und Naturzerstörung, vernutzt Menschen und stärkt Patriarchat und Rassismus. Auch zeigt sich, dass der Kapitalismus kaum 'einzuhegen' ist. Der große Hoffnungsträger Staat ist von einer funktionierenden Kapitalverwertung bzw. Profitwirtschaft für Steuern und Kreditwürdigkeit angewiesen, hat also nur eine relative Autonomie (Agnoli 2019, Adler 2019). Gerade bei Klimakatastrophe und ökologischer Krise zeigt sich die Diktatur des Marktkräfte, die die Gesellschaften daran hindern, wirklich rational zu handeln (Zeiler/Bruschi 2022, Konicz 2020) .

Nach dem Scheitern der autoritären Planwirtschaft wandten sich viele Linke dem Marktsozialismus zu. Dieser verlängert nur die Vorstellung einer Einhegung des Marktes und erweitert sie um die Abschaffung der Kapitalist:innen und der Vergesellschaftung der Produktionsmittel (Nove 1983, Miller 1989). Aber die Betriebe in Arbeiter:innenhand produzieren weiter für den Markt und unterliegen den Imperativen des Profits und all den negativen Effekten, die damit einhergehen (Elson 1988, Creydt 2001, Devine 1988). Schon im Marktsozialismus Jugoslawiens zeigten sich diese Probleme (Lohoff 1996). Die Linke braucht wieder ein Angebot jenseits der Marktwirtschaft, die Linke braucht eine Alternative.

Eine demokratische Planwirtschaft scheint heute nicht nur notwendig, sondern auch in greifbarer Nähe. Denn nicht nur müssen wir anfangen endlich unsere Wirtschaften auf ein würdiges Leben und einen angemessenen Lebensstandard für alle Menschen innerhalb der planetaren Grenzen auszurichten, statt anonymen ‘Marktkräften’ ausgeliefert zu sein, die uns als eine fremde Macht gegenübertreten. Auch moderne Entwicklungen, beispielsweise in der Informationstechnologie, die bereits heute eingesetzt wird um sehr komplexe Koordinationsprobleme sinnvoll und demokratisch zu lösen, verweisen auf diese attraktive Möglichkeit.

Wie soll das gehen bzw. wie sähe das aus?

Dafür haben wir auf dieser Website eine Übersicht verschiedenen Ansätze erstellt. Hier findet ihr die Kurzbeschreibung der Modelle und weitere Links/Literatur. Alle hier vorgestellten Modelle wollen den Markt als zentralen Koordinationsmechanismus abschaffen und eine demokratische Planung an seine Stelle setzen. Wie dies konkret aussieht, kommt auf das Modell an.

Beispielsweise nutzt der Cybersozialismus von Cockshott/Cottrell moderne mathematische und digitale Möglichkeiten und entwickelt daraus eine demokratische Zentralplanung. Während Kritiker:innen dem Modell Zentralismus und Technokratie vorwerfen, betonen die Befürworter:innen, dass Ressourcen nur zentralisiert optimal verteilt werden können. Demgegenüber ist das Modell von Pat Devine, ‘Participatory Planning through Negotiated Coordination’ mehr dezentral. Die Betriebe kaufen und verkaufen selbständig über ‘horizontale Marktbeziehungen’, wenn es um bestehende produktive Kapazitäten geht, aber die Entscheidung über Investitionen, d.h. über Veränderungen von produktiven Kapazitäten trifft nicht ‘der Markt’ über und die Profitabilität von Unternehmen, sondern demokratische Gremien unter Beteiligung von Repräsentanten aller von der Entscheidung betroffenen. Das Modell partizipatorischer Ökonomie (Parecon) basiert auf selbstorganisierten Produzenten- und Konsumentenräte, die in einer Planungsperiode vor der Produktion in einem iterativen Prozess Pläne vorschlagen und so Gleichgewichtspreise aushandeln, sodass ein Plan, der Angebot und Nachfrage ausgleicht, entsteht, der bis zur nächsten Planungsperiode verfolgt wird. Auch Vertreter:innen des Commonismus befürworten dezentrale Planung, aber betonen, dass nur eine Abschaffung der Lohnarbeit gerechte und bedürfnisorientierte Planung erlaubt. Vettese/Pendergrass fordern einen Fokus auf ökologische Fragen und kombinieren eine zentrale Planung im Hinblick auf gesellschaftliche Bedürfnisse und planetare Grenzen mit dezentraler Umsetzung.

Es gibt also eine Vielzahl von Modellen, die sich auch gegenseitig kritisieren und so auch weiterentwickelt werden können, wenn jeweilige Stärken in einer neuen Synthese aufgehoben werden. Auch andere emanzipatorische Theorien und Perspektiven, die auf blinde Flecken oder unbeachtete Potenziale verweisen, können die Debatte auf neue Stufen heben.

Was würde sich für mich verändern?

Für alle Planwirtschaften ist Gerechtigkeit zentral. Trotz seiner autoritären Form gab es selbst im Realsozialismus deutlich mehr Gleichheit und endete die Angst vor Arbeitslosigkeit, auch es gab keine Kapitalist:innen mehr, die nur von der Ausbeutung anderer leben und sich private Inseln kaufen, während andere in Slums leben. Auch wäre eine Planwirtschaft das Ende der globalen, rassistischen Arbeitsteilung, heute arbeiten 60 Arbeiter:innen zu schrecklichen Bedingungen für eine:n durchschnittliche:n Bewohner:in des globalen Nordens (Hartmann 2016). Und Ungerechtigkeit ist nicht nur ungesund, sondern macht auch unglücklich (Prilleltensky 2012). In einer Planwirtschaft könnten wir auch die Ziele der Wirtschaft bestimmen, und müssten nicht bloß Regierungen wählen, die dann doch Profit vor Gerechtigkeit oder Wachstum vor Naturerhalt setzen müssen (oder wollen). Ökologische Krisen von Biodiversität, Epidemismus bis Klimakrise verlangen einen grundsätzlichen Neubau der Wirtschaft, an dem die Marktwirtschaft klar scheitert (Herrmann 2022, Saito 2023). Mit einer Planwirtschaft könnten wir der ökologischen Krise angemessen begegnen und hätten nicht ständig das Gefühl beim Weltuntergang mitzuhelfen. Auch könnte der Gesundheitssektor und insgesamt die Sorgearbeit die Ressourcen und Zeit erhalten, die sie brauchen. Und privat hätten wir auch endlich die Zeit und Muße die Sorgearbeit für Alte, Kranke und Kinder sinnvoll zu erledigen. Heute sind unsere Arbeitsplätze Orte der Ausbeutung und das spiegelt sich in der Organisation der Arbeit. Würde eine hohe Grundversorgung oder sogar eine Vollversorgung den Druck zu Arbeiten senken, müssten Betriebe Arbeit auch so einrichten, dass sie fordernd, aber nicht überfordernd, entspannt, aber nicht langweilig, bedürfnisorientiert und nicht ausbeutungsorientiert ist. Und das Ziel unserer Arbeit wäre nicht mehr der Maximalprofit, sondern die Befriedigung von Bedürfnissen.

Wer macht dann die unbeliebte Arbeit?

Die meisten Planwirtschaftsmodelle streben eine hohe Grundversorgung bspw. durch eine starke öffentliche Infrastruktur und/oder bedingungslosen Grundeinkommen an oder sogar die Entkopplung von Arbeitsleistung und Konsum. Wenn Arbeit noch bezahlt wird, sind die Löhne oft ähnlich, damit die Busfahrerin ebenso wie Bäcker oder Ärztin anerkannt werden. Warum sollten Menschen dann die unbeliebte Arbeit machen? Modelle mit bezahlter Arbeit schlagen häufig eine bessere Bezahlung für besonders unbeliebte, schwere und gefährliche Arbeit vor. In Parecon sichert zusätzlich der Mechanismus “Balanced Job Complexes” die faire Verteilung unbeliebter Arbeit, indem z.B. auch Chirurg:innen regelmäßig die Bettpfannen wechseln müssen (Hahnel 2013). Vertreter:innen von Planwirtschaften ohne Arbeitszwang argumentieren, dass die Gesellschaft bei unbeliebten Arbeiten besonders viel Ressourcen investieren wird und muss, um diese bedürfnisorientiert zu gestalten und/oder zu (teil-)automatisieren. Nun kann die Gesellschaft endlich Ressourcen und Zeit nach Bedürfnissen statt Profit verteilen (Benanav 2022). Des Weiteren kann eine Gesellschaft unbeliebte Arbeiten rotieren lassen bspw. müssen in Ursula LeGuins Roman 'Planet der Habenichtse' alle Erwachsenen alle 10 Tage ein Tag Gemeinschaftsarbeit verrichten (LeGuin 2017), durch andere Arbeiten ersetzen oder falls möglich nicht machen - quasi Suffizienz/Genügsamkeit: Wenn die Erdbeeren zu anstrengend zu Ernten sind und/oder sich zu wenige fürs Ernten finden, werden sie stärker rationiert (zum Überblick vgl. Sutterlütti/Meretz 2018: 163ff, Sutterlütti 2023). Kritiker:innen halten ein Anreiz durch Bezahlung zumindest für eine Transformationsperiode für unausweichlich (vgl. Dapprich2021, Hahnel 2023).

Wie kommen wir dahin?

Bei der Planwirtschaft geht es um die Eroberung der Produktion und der Reproduktion (Winker 2021), und es gibt sowohl reformistische als auch revolutionäre Ansätze für den Übergang (vgl. Drau/Klick 2024, Decker 2024). Wobei Planwirtschaftsbefürworter:innen häufig eher zu einem fundamentalen Bruch neigen - auch wenn dieser teilweise parlamentarisch konzipiert wird - als einem graduellen Reformismus. Dies begründet sich darin, dass Planwirtschaft auf ein grundlegend andere (Re/)Produktionsweise, ein anderes Gesellschaftssystem zielt. Der klassische linke Gegenspieler der Planwirtschaft - der Marktsozialismus - setzt wiederum auf Gradualität und Reformen, da die Utopie näher am Ist-zustand ist. Die Utopie prägt die politische Strategie.

Klar ist, dass die Abschaffung des Marktes sich starken, kapital- und machtreichen Interessensgruppen gegenübersieht - soziale Kämpfe sind somit sicher notwendig. Planwirtschaftsbefürworter:innen argumentieren dabei, dass eine linke Bewegung eine vorstellbare, greifbare Alternative zum Kapitalismus braucht, um attraktiv oder auch nur glaubwürdig zu sein (Adamczak 2020, Neupert-Doppler 2015). Gleichzeitig verlangen viele Planwirtschaftsbefürworter:innen auch, dass linke Bewegungen nicht hauptsächlich an die Regierung appellieren dürfen oder auf eine linke Regierung innerhalb des Kapitalismus setzen sollen - wie bspw. Erfahrung in Südamerika, Griechenland oder Spanien zeigen (Vgl. Lapavicas/Kouvelakis 2023), sondern gerade die harten Grenzen und Widersprüche im Kapitalismus betonen müssen (Adler 2019, Agnoli 2019).

Wo und wann könnten wir damit anfangen?

Schon im Kapitalismus gibt es sehr viel Planung, sei es in großen Betrieben (Leigh/Philipps) oder von Staaten. Auch intervenieren soziale Bewegungen häufig mit einer Stoßrichtung hin zu demokratischer Planung bspw. In der Kampagne 'Krankenhaus statt Fabrik', 'Deutsche Wohnen & co enteignen' oder zur Transformation des Energiesektors. So existieren vielerlei Keimformen der Planwirtschaft, für deren Ausweitung auch jetzt schon gekämpft werden kann - sei es die Ausweitung öffentlicher Versorgung durch soziale Infrastruktur, Aufbau solidarischer Alternativen wie Solawis oder wirtschaftsdemokratischen Bestrebungen in Betrieben. Auch der staatlichen Einhegung des Marktes liegt eine Planidee zu Grunde, aber dies produziert ein eher autoritäres Verständnis von Planung. Bestrebungen zur Vergesellschaftung sind planungsnah, da sich schnell die Frage stellt, wie man mit den Wohnungen, den Energiekonzernen oder den Automobilbetrieben umgehen soll und wie die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen aussehen müssten, damit die Vergesellschaftung nicht bloß als Verstaatlichung endet. Für Planwirtschaft ist nicht nur eine radikale Kritik des Kapitalismus und Vorstellungen sozialistischer Einhegung des Marktes wie des Marktsozialismus wichtig, sondern auch das Starkmachen der Frage nach der postkapitalistischen Alternative in bestehenden Kämpfen. Planwirtschaft als Ziel anzustreben, bedeutet nicht unbedingt eine gänzlich andere Politik zu machen, aber es bedeutet häufig ein gänzlich anderes Narrativ für soziale Bewegungen und Kämpfe - weniger ein Appell an Regierung und Regierungswechsel im Kapitalismus, sondern ein Verweis auf deren Ohnmacht und das Fordern eines Systemwechsels (vgl. Adler 2019).

Kann eine Planwirtschaft wirklich ökologisch sein?

Die traditionelle Plandebatte fokussiert häufig auf Gerechtigkeit, Produktivitätssteigerung, auf ‚red plenty‘ (roter Reichtum). Häufig verspricht sie gegenüber dem Kapitalismus gar eine Steigerung des Konsums. Vor dem Hintergrund der heutigen ökologische Krise gibt es aber einige neuere Entwicklungen.

Einerseits bestärkt diese Krise das Bestreben nach Planwirtschaft, indem sich hier zum einen die Unfähigkeit des kapitalistischen Staates zur demokratischen Gestaltung der Wirtschaft zeigt, zum anderen die Unfähigkeit des Kapitalismus zur bewussten Kontraktion, was auch Beststeller wie Herrmanns “Das Ende des Kapitalismus” oder Saitos “Systemsturz” erklärt (Herrmann 2022, Saito 2023). Auch besitzt - sogar die autoritäre - Planwirtschaft die Fähigkeit im Gegensatz zur Marktwirtschaft gesellschaftliche Ressourcen umfassende für eine schnelle Transformation zu nutzen - sei das Industrialisierung oder Ende der fossilen und Ausbau der erneuerbaren Energien (vgl. Allen 1998).

Andererseits fordern ökologische Krisen und Bewegungen die traditionelle, produktivistische, häufig promethische-technokratische Planperspektive heraus mit Perspektiven wie ‘privater Suffizienz, öffentlicher Luxus’ oder De-Growth heraus. Unter anderem argumentieren ökologische Ökonom:innen, dass für ökologische Belange die übliche allgemeine Rechengröße - selbst wenn sie ökologische Dimensionen miteinbezieht (Vgl. Cockshott/Cottrell/Dapprich 2022) - verkürzend bzw. reduktionistisch ist (Vettese/Pendergrass 2022). Ökologische Fragen verlangen das Abwägen verschiedenster Dimensionen in Realgrößen (bspw. Landnutzung, Energieverbrauch, Emissionsziele) und auch die Einsicht, dass der Mensch die Natur gerade nicht vollkommen versteht und prognostizieren kann (Planning for Entropy 2022). Nun liegen explizit ökologische Planüberlegungen vor (Durand/Hoffernbert/Schmelzer 2023) häufig im Rahmen des Ökosozialismus, wobei diese von einer dezentralisierten, selbstversorgenden Ökonomie (Kern 2019) bis zu kybernetischer Zentralplanung (Vettese/Pendergrass 2022) reichen.

Ist Planwirtschaft (queer-)feministisch?

Eine (queer-)feministische Perspektive ist in der Plandebatte deutlich unterrepräsentiert. Die Akteure der Debatte sind häufig Cis-Männer und dies schlägt sich auch in den Konzepten nieder. Doch in den letzten Jahren wächst die feministische Beschäftigung und Kritik an Planwirtschaft (Lutosch 2022, Quick 2022) und Modelle versuche dies aufzunehmen (Chowdhury 2022). Der Feminist:innen kritisieren Leistungsethik und Arbeitsfetisch, verlangen sogar die Abschaffung jeder bezahlten Arbeit (Habermann 2018, Winker 2021), hinterfragen den Arbeiters als Hauptakteur der Planung (Lutosch 2022) und stellen Sorgearbeit statt Güterproduktion, und auch Körperlichkeit und Beziehungen ins Zentrum der Überlegungen. Hierbei kann teilweise auch auf feministische Utopie-Traditionen und Entwürfe zurückgegriffen werden (LeGuin 2023, Piercy 2016). Wie auch bei der ökologischen Frage stärken auch (queer-)feministische Perspektiven eine Planperspektive. Die Ausweitung eines öffentlichen Sektors würde Sorgefragen stärker gesellschaftlich verankern. Ökonomische Sicherheit und gut ausgebauter öffentlicher Care-Sektor ist eine Basis für Selbstbestimmung (Ghodsee 2019). Und erst eine Verfügung über die Wirtschaft und somit ein mögliches Ende der Abspaltung und Abwertung von unbezahlter Sorgearbeit erlaubt eine Aufhebung von Geschlecht und Ungerechtigkeit (Winker 2021).